Was machen Künstler, die ihr ultimatives Meisterstück geschaffen haben? Sie suhlen sich eine Zeit lang im Glanze Ihrer Genialität und beginnen im Versuch einen nächsten großen Wurf zu landen, den langsamen Abstieg in die Unbedeutsamkeit, als ausbleichendes Abziehbild ihrer selbst, begleitet von Drogen, Alkohol und Depression.

Alle Künstler? Nein nicht alle! Es gibt ein paar wahre Genies, die es sich am Gipfel Ihres Schaffens gemütlich machen konnten. Sie schaffen sich dort oben ihr eigenes Universum, mit ihren eigenen Regeln, werken locker-flockig dahin und erfreuen ihr Publikum permanent auf´s Neue. Tex Rubinowitz zum Beispiel.
Wer noch?
Zucchero, natürlich. (Ich laufe Gefahr, dass ich mit dieser Aussage - unkommentiert - ein paar Credits bei meinen Studierenden verspielen würde, darum lasst mich erklären, warum ich so über Zucchero denke.)

Manche bezeichnen ihn als Schnulzenheini, andere als alternden Kitschbaron. Das sind jedoch Leute, die auch die Frage stellen, wer ist der bessere Italiener: Eros Ramazzotti oder Zucchero? Das geht so nicht! Nach welchen Gesichtspunkten wäre hier zu entscheiden? Abgesehen davon, wo wäre dann Paolo Conte einzuordnen, oder Adriano „je-reifer-desto-besser“ Celentano. Diese Herren spielen jeweils in einer eigenen Liga und Signore Ramazzotti taucht auf den Mannschaftsfoto nicht einmal als Reservist auf.

Lassen wir diese Vergleiche und wenden wir uns Zucchero zu:
Auf den ersten Blick wird Zucchero immer mehr zu einer optischen Symbiose aus
Fidel Castro und den frühen
ZZ Top. In diesem Stadium der Annäherung könnte auch gnadenlos der
Halo-Effekt (siehe Rezension vom 22.4.2008) zuschlagen: Unansehnlicher, ungepflegter Mensch = unhörbare, schreckliche Musik. Doch Achtung! Wir haben es hier nicht mit einem gecasteten, piepsenden Model zu tun, sondern mit einem Musiker, ausgestattet mit einem untrüglichen Gespür für Harmonie und Melodie. Was ihn aber über alle anderen hebt, ist seine Stimme. Es wird berichtet, dass Miles Davis bei den Aufnahmen zum gemeinsamen Duett „Dune Mosse“ immer wieder unterbrechen musste, weil ihn Zuccheros Stimme zu Tränen rührte.
Diese Stimme ist es auch, die Zucchero bei seinem Gang über den schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst im Gleichgewicht hält und ihm erlaubt Lieder zu singen, die ohne Zwischenstopp am Hirn vorbeizischen und einen ganzen Bauch mit Glücksgefühlen füllen können.
So geschehen gerade wieder am 23.April 2008, beim seinem letzten Konzert in der Wiener Stadthalle. Grazie mille :-)