Freitag, 19. Oktober 2012

Stunde der Stümper oder die Weisheit der Vielen?

Mit der abgefrühstückten Diskussion über Social Media, kam auch ein Streit wieder auf´s Tapet, der uns noch ein wenig länger aufstoßen wird: Hat nun die „Stunde der Stümper“ (Keen) geschlagen oder beweist sich „Die Weisheit der Vielen“ (Surowiecki)?

Peter Dietrich Gastkommentar Horizont Nr42/2012Wie meist bei derartigen Pauschalierungen, wird selten so heiß gegessen, wie gekocht. Eher scheint schon die 90-9-1-Regel (Nielsen) einen Nachschlag zu verdienen:

90% aller Beteiligten sind eigentlich unbeteiligt, ihr Beitrag beschränkt sich maximal auf passive Rezeption.

Weitere 9% sind mehr oder weniger aktiv und lassen sich zu wenig elaborierten Entäußerungen hinreißen, die sich stark um die Pole des Schwarz-Weiß-Kontinuums konzentrieren. Ihre diffusen Stimmungen manifestieren sich in ihrer reduziertesten Form als rasch geklicktes „like“.

Diese „Autopilotisierung“ unseres Alltags öffnet dem Populismus, der Werbung und überhaupt der Manipulation der Massen Türen und Tore. Politik, Medien, Wirtschaft etc. haben brav gelernt, das Einfache vor das Komplexe, die Bewertung vor die Diskussion, die Lösung vor das Problem zu stellen.

Daran werden auch die restlichen 1% wenig ändern. Sie zeichnen sich durch ein erhöhtes sachliches, soziales oder kognitives Involvement aus, was sie zu einer teils überbordenden Diskursbereitschaft und proaktiven Handlungen motiviert.

Das stellt alles keinen Paradigmenwechsel dar. Was – via Social Media – jedoch eine radikal neue Dimension erzeugt hat, ist die permanent aktualisierte Aggregation von öffentlichen Meinungen und deren nachvollziehbare Visualisierung. Man könnte sagen, unsere unsichtbare, „soziale Haut“ (Noelle-Neumann) hat sich in diesem Punkt nun tatsächlich materialisiert.

Wie wohl wir uns in dieser Haut fühlen und was das mit uns und den großen Manipulatoren machen wird, werden wir bald empirisch untersuchen können. Ob allerdings irgendwann – und das wäre wirklich spannend – kollektiv durchsickern wird, dass die „Masse“, deren Handlungen wir beobachten, lediglich 9+1% von uns Usern sind, da bin ich pessimistisch.

(Gastkommentar, erschienen im Horizont Nr 42, Okt 2012)

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